Puebla de la Sierra – das versteckteste Dorf der Sierra del Rincón
Puebla de la Sierra ist für mich das versteckteste Dorf im Biosphärenreservat Sierra del Rincón. Nach Prádena schlängelt sich die M130, eine schmale Landstraße, 18 km durch eine malerische Berglandschaft. Es ist kein Haus und keine Menschenseele zu sehen. Ich bin heilfroh, dass die Straße völlig neu geteert ist. Das erleichtert die Fahrt. Üppige Kiefernwälder, einheimische Eichenhaine, Buschland; Steinrosen, Heidekraut und Lavendel wechseln sich ab. Irgendwann kommst du auf dem 1636 m hohen Pass von Puebla an. Hier ist ein Halt Pflicht, denn du hast eine atemberaubende Aussicht auf beide Seiten des Passes. Die Schneestangen allenthalben lassen erahnen, dass du im Winter mit Sperrungen zu rechnen hast.
Nach den obligatorischen Fotos geht es auf der anderen Seite in das Wildschutzgebiet Sonsaz mit steilen Schluchten und Spitzkurven bergab. Ein Glitzern rechts im Tal verrät dir, dass die Straße parallel zum Puebla-Bach verläuft. Nach der x-ten Kurve inmitten eines felsigen Amphitheaters zwischen jahrhundertealten Bäumen und kristallklaren Bächen taucht schließlich La Puebla de la Sierra auf. Wie immer bei den Bergdörfern ist es ratsam, das Auto auf dem Parkplatz am Dorfeingang abzustellen.
Das Land von Puebla de la Sierra ist dünn besiedelt
Zu dem Dorf Puebla de la Sierra gehören 57,7 km² Land. Flächenmäßig macht es das zu einer der größten Gemeinden in der Gemeinschaft von Madrid. Dies steht aber im starken Kontrast zu der Einwohnerzahl: 2019 waren es 65. Umgerechnet liegt damit seine Bevölkerungsdichte bei 1,44 Einw./km² und unter der von Lappland (2,0 Einw./km²) oder der Sahara (1,9 Einw./km²). Für die Madrider, die in der Stadt wohnen und an 5391,69 Einw./km² gewöhnt sind, fühlt sich das nach totaler Einsamkeit an.
Puebla de la Mujer Muerta – die Siedlung der toten Frau
Hört sich ein bisschen gruselig an, nicht? Das Dorf hieß tatsächlich bis in die 40er Jahre des 20. Jh. Puebla de la Mujer Muerta (Siedlung der Toten Frau). Diesen Namen hatte das Dorf aber nur, weil es am Fuße des Bergkessels mit dem gleichen Namen liegt. Seine Silhouette erinnert nämlich an die einer liegenden Frau. Auf Initiative des damaligen Zivilgouverneurs der Provinz wurde das Dorf schließlich in Puebla de la Sierra umbenannt.
Der Ursprung von Puebla de la Sierra
Der Name Puebla ist eindeutig kastilischen Ursprungs. Möglicherweise stammt der Name von einer Konzession aus dem Jahr 1301, der Carta-Puebla, eine Verleihung eines rechtlichen Status zur Förderung der Besiedlung.
Dennoch ist ein arabischer Ursprung des Dorfes nicht auszuschließen, obwohl man denkt, dass die islamische Präsenz in dieser Region nicht intensiv war.
Nach der Eroberung (Reconquista) der Region von Buitrago im 12. Jh. wurden aus Verteidigungsgründen Dörfer zur Besiedelung des Landes gegründet. Allen Anzeichen nach gehört La Puebla de la Sierra dazu.
Ende des 13. Jh. gehörte Puebla einem Madrider Erzdiakon. Sancho IV. hatte es ihm zugeteilt. Der Erzdiakon tauschte jedoch das Dorf gegen ein anderes aus. Seine Herrschaft erstreckte sich nur auf die Rechtssprechung, denn das Land des Dorfes gehörte zur Comunidad de Villa y Tierra de Buitrago. (Um was es sich bei den Comunidades de Villa y Tierra handelt, habe ich schon in meinem Beitrag über Prádena del Rincón beschrieben)
Als Ausgleich für die Isolierung und Abgeschiedenheit von Puebla de la Sierra, welche seine Regierung erschwerten, erteilte Íñigo López de Mendoza, der berühmte Marqués de Santillana, dem Dorf 1490 die Stadtrechte und damit eine eigene Gerichtsbarkeit. Trotzdem trat der Rat von Puebla bis zur zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts im Portikus der Kirche zusammen. Erst dann baute man das erste Rathaus. In diese Zeit fällt auch die Schmiede und der Alte Brunnen (Fuente Vieja), der noch erhalten ist.
Seinen Höhepunkt der Entwicklung erreichte Puebla im 18. Jh. Es hatte nun 313 Einwohner. Die Haupteinnahmequellen waren der Honig der Bienenstöcke und die Nutzung des Waldes. Dazu kamen Viehzucht, hauptsächlich wegen der Wolle, Trockenlandwirtschaft (Roggen und Weizen) und bewässerte Landwirtschaft (Flachs und Gärten).
Die Entwicklung Pueblas in der Neuzeit
Mit der Abschaffung des alten Regimes im 19. Jh., die mit der Aufteilung Spaniens in Provinzen und der Beschlagnahmung der kirchlichen und privaten Besitztümer der Säkularisierung einherging, änderte sich auch in Puebla das Leben.
70% des Landes des Dorfes wurden zur öffentlichen Versteigerung angeboten. Im Gegensatz zu anderen Dörfern der Region blieb es jedoch größtenteils in den Händen der Dorfgemeinschaft.
Anfang des 20. Jahrhunderts zählte Puebla de la Sierra noch mit einer stabilisierten Bevölkerung. Während des Bürgerkriegs wurde das Dorf ziemlich zerstört, insbesondere das Rathaus und die Kirche.
Nach dem Bürgerkrieg ging die Bevölkerung aufgrund der Auswanderung massiv zurück. Damit zusammenhängend verschwand praktisch die landwirtschaftliche Produktion. Die nun freien Flächen forstete man auf. Durch die Emigration wurden viele traditionelle Häuser aufgegeben und das Gesicht des Dorfes änderte sich. Erst in den letzten Jahren begann man wieder mit der Restaurierung der alten Häuser.
Puebla de la Sierra besticht durch seine hervorragend restaurierte populäre Architektur
Die sorgfältig restaurierten dunklen Steinhäuser mit ihren Holzträgern zeigen, dass auch Puebla de la Sierra ein typisches Dorf aus der Zeit der Reconquista dieser Region ist. Es überrascht, dass so ein winziges Dorf mit nur 65 Einwohnern sich dermaßen der Bedeutung der Erhaltung der ursprünglichen Merkmale der populären Architektur bewusst ist, und die Mittel aufbringen und dem Dorf so einen Flair verleihen konnte. Ich möchte einige Gebäude besonders hervorheben.
Die Schmiede
Im Gegensatz zu den anderen Dörfern der Biosphäre Sierra del Rincón, wie z. B. La Hiruela de la Sierra, hat Puebla de la Sierra die Schmiede nicht zum Museum umfunktioniert. Das Dorf organisiert hier pädagogische Workshops im Rahmen eines Programms zur Wiederherstellung von Bräuchen und alten Handwerken. Du kannst sie dennoch besichtigen.
Das Haus stammt aus dem 16. Jahrhundert und hat ein arabisches Giebeldach, das auf einer Holzkonstruktion und dicken Mauerwerkswänden ruht.
Die Schmiede von Puebla de la Sierra diente nicht nur den Bewohnern der Gemeinde. Viehzüchter und Bauern aus den umliegenden Bergdörfern wie La Vihuela oder El Atazar kauften oder reparierten hier ihre Pflüge, Hacken und andere Werkzeuge. Hufeisen, Nägel und Küchen- oder Tischlerutensilien durften natürlich nicht fehlen.
Die Pfarrkirche der Unbefleckten Empfängnis
Man geht davon aus, dass die Pfarrkirche Iglesia Parroquial de la Purísima Concepción im frühen 17. Jahrhundert errichtet wurde. Sie besteht aus drei Schiffen, die durch Halbkreisbögen voneinander getrennt sind. Das Presbyterium ist mit einer dreiseitigen Kassettendecke bedeckt.
Außen sticht der mit einem Satteldach gekrönte Glockenturm hervor, in dem sich zwei Bögen mit den Glocken befinden. Darauf sitzt in der Mitte ein dritter kleiner Bogen. Kurios finde ich den überdachten Holzbalkon mit Dach auf der Rückseite des Turms, über den die Glocken zugänglich sind.
Während des Bürgerkriegs wurde die Kirche schwer beschädigt und das Rathaus an der Plaza de la Iglesia selbst wurde buchstäblich abgerissen. Dank des Plans für zerstörte Regionen konnten sie restauriert werden – es wurde auch ein neues schnuckeliges Rathaus gebaut, wie du auf dem Bild siehst.
Die Mühle El Molino de Abajo
Wie schon der Name „untere Mühle“ erahnen lässt, gab es in Puebla de la Sierra zwei Mühlen, nämlich die obere (molino de arriba) und die erwähnte untere Mühle. Die Einwohner des Dorfes sind stolz darauf, dass sie diese Mühle retten konnten. Sie liegt am Rande des Dorfes, in der Nähe des Erholungsgebiets Parque de los Avellanos (Haselnuss-Park). Sie war offensichtlich noch bis 1957 in Betrieb.
Das zweistöckige Gebäude aus dem 18. Jahrhundert wurde komplett restauriert. Ein Becken wird von einem Eimer gefüllt und sammelt das Wasser. Das Wasser tritt aus dem Becken aus und dreht dadurch die Räder im Erdgeschoss der Mühle. Darüber werden wiederum die Maschinen im Obergeschoss angetrieben.
Tinaos – Unterstände für Hirten und Tiere
Die Tinaos sind unbestreitbare Elemente der traditionellen Architektur der Berge. Solche Steinkonstruktionen gab es in allen Dörfern der Region. Sie dienten zum Schutz der Hirten und des Viehs vor den widrigen klimatischen Bedingungen.
Wenn du durch das Biosphärenreservat Sierra del Rincón wanderst, kannst du oft die meist zerfallenen Unterstände sehen, insbesondere, wenn du den Triftwegen (Cañadas) folgst.
El Valle de los Sueños – Das Tal der Träume
Was man in so einem einsamen, in den Bergen versteckten Dorf am wenigsten erwartet, ist ein Freilichtmuseum von modernen Skulpturen. Das ist natürlich ein absolutes Alleinstellungsmerkmal. Die Initiative wurde 2005 vom örtlichen Bildhauer Federico Eguía ins Leben gerufen. Seitdem reihten sich viele Skulpturen zeitgenössischer Künstler verschiedener Nationalitäten auf einer Strecke von 1.300 Metern dazu. Alle Skulpturen im El Valle de los Sueños sind Spenden von Künstlern, die an den vom Gemeindetrat von Puebla de la Sierra organisierten Skulpturenbiennalen teilnehmen.
Ich weiß nicht, wie viele es wirklich sind. An manchen Stellen werden 31 Werke angegeben, dann wieder 50, und auf dem Faltprospekt, dass du dir hier herunterladen kannst, sind es 79. Am besten, du schaust selbst vorbei und zählst sie. :-).
Wandern in einer herrlichen Natur
Das Land von Puebla de la Sierra gehört zum Biosphärenreservat Sierra del Rincon und dem Wildschutzgebiet Sonsaz. Somit findest du viele Wildarten wie Rehe oder Wildschweine sowie Dachse, Marder oder Ginsterkatzen vor. Suche dir hier einen Wanderweg aus und gehe auf Fotopirsch.
Wie komme ich nach Puebla de la Sierra
Mit dem Bus
Von Madrid aus gibt es keine direkte Busverbindung nach Puebla de la Sierra. Du musst einen Bus nach Buitrago nehmen, und von dort aus die Linie 912 bis Puebla.
Mit dem Auto
Der schnellste und einfachste Weg mit dem Auto ist über die A1 Richtung Burgos bis zur Ausfahrt 76. Dann nimmst du die M137 bis Gandullas. Von dort aus fährst du über die M132 weiter bis nach Prádena del Rinción. Hier ist die M130 Richtung Puebla de la Sierra ausgeschildert.
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