Die Ausgrabungen von El Rebollar: wie ein Dorf sein verlorenes Gedächtnis wiedererlangt

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Im Dorf gab es nur noch eine blasse Erinnerung, die sich auf ein Straßenschild reduziert hatte: „Cerrillo de la Ermita“. Aber dieser Ortsname, über den kaum jemand nachdachte, diente dem A-Team der Archäologie als Anhaltspunkt für die Ausgrabung der verlorengegangenen Erinnerung an 1000 Jahre Geschichte von El Boalo. Trotz der massiven Plünderungen der letzten Jahre, die vom Bürgermeister des Dorfes erwähnt wurden, machten sie einige überraschende Funde. Ich nutzte den Tag der offenen Tür, um mehr über die Neuigkeiten der diesjährigen Kampagne zu erfahren (im nächsten Jahr wird es eine weitere geben) und um dir zu berichten, was Charro Gómez, Co-Direktorin des Projekts, uns erklärt hat.

Ausgrabungen der Einsiedelei Nuestra Señora del Sacedal, El Rebollar - El Boalo
Ausgrabungen der Einsiedelei Nuestra Señora del Sacedal – El Rebollar, El Boalo

Eine Nekropole, die niemand beachtet

In Wirklichkeit wusste jeder im Dorf von der Existenz der Westgotengräber in der Gemeinde. Als ich in den 80er Jahren hierherkam, waren sie an verschiedenen Stellen im Dorf nur fünf Minuten zu Fuß vom Platz entfernt zu sehen.

Bereits in den 60er Jahren wurden auf dem Gebiet, das heute die Siedlung El Rebollar (siehe Website des Rathauses von El Boalo) ist, rund 100 Gräber und Sarkophage aus dem 6. und 7. Jahrhundert entdeckt. In einigen fanden sie Skelettreste, menschliche Skelette, Tonamphoren und Kupfermünzen. Dieser Fund stieß jedoch auf wenig Interesse.

Mitten im Bauboom der 90er Jahre, als das Bauprojekt dieser Siedlung entworfen wurde, führten Archäologen eine Reihe von Erhebungen durch, um die Fundstelle einzugrenzen. Die Website des Rathauses weist darauf hin, dass die meisten Überreste von der Generaldirektion für Kulturerbe verbracht wurden. Aber niemand weiß, wo sie heute sind. Ein weiterer Hinweis auf das mangelnde Interesse, wenn nicht Nachlässigkeit, seitens der Behörden.

Daher darf uns nicht überraschen, dass in der Bevölkerung archäologische Objekte als etwas Kurioses betrachtet wurden. Sie dienten dazu, ihr eigenes Haus oder ihren Garten zu schmücken. Auch konnte man sich mit den Antiquitäten ein bisschen Geld verdienen. Und derjenige, der beim Ausheben der Fundamente seines Wochenendhauses Reste fand, hielt den Mund, damit der Bau nicht gestoppt wird.

Im Jahr 1998 war zum Beispiel ein Artikel in El País über die Plünderung von zwei Gräbern zu lesen. Es wird geschätzt, dass mindestens 70% der Gräber das gleiche Schicksal ereignete. Erst vor wenigen Jahren gab es Gerüchte über jemanden, der einen Sarkophag mitgehen ließ. Die Hinweisschilder, die noch im Jahr 2015 die Fundstelle auswiesen, wurden vom Rathaus abmontiert.

Kurzum: Die Fundstelle wird entdeckt, aber die Siedlung gebaut, und nur eine Fläche von etwa 2 000 m2 abgezäunt, wo es eine Einsiedelei, eine Kultstätte, geben soll, von der nichts erhalten schien. Ab 2018 haben nur noch Forscher Zugang zum Grundstück für die Ausgrabung dieses neuen Projekts.

Eine von einem Straßenschild inspirierte Eingebung

Der Straßenname war der erste Hinweis - Ausgrabungen El Rebollar, El Boalo
Der Straßenname war der erste Hinweis – Ausgrabungen El Rebollar, El Boalo

Das A-Team der Archäologie hatte zwei Hinweise. Der erste ist die Straße, in der die Fundstelle liegt. Sie heißt „Cerrillo de la Ermita“ (in etwa „Kleiner Kapellenhügel“). Der Ortsname bleibt und sagt uns, dass es eine Einsiedelei oder Kapelle gab. Sie war aus der mündlichen Übertragung und dem historischen Erbe der Gemeinde verschwunden. Niemand aus früheren Generationen hat sie je gesehen, aber die Straße wird immer noch Kapellenhügel genannt.

Das Ziel des A-Teams der Archäologie war es, in Zusammenarbeit mit der Autonomen Universität einen Ort der Anbetung zu finden. Man suchte eine Einsiedelei, auf die sich die Toponymie bezog, und diese beabsichtigte man für die Einwohner von El Boalo bergen.

Die Archive offenbaren einen zweiten Hinweis

Den zweiten Hinweis lieferten die dokumentarischen Studien von Roberto Fernández im Diözesanarchiv. In diesem Archiv werden die Dokumente der Pfarrei Manzanares aufbewahrt, von der El Boalo abhängt. Das Archiv sprach von einer Einsiedelei am Ortsrand. In den Dokumenten wird sie Nuestra Señora del Sacedal (Unsere liebe Frau von Sacedal) genannt. Die Einsiedelei war bis etwa zum 16. Jh. aktiv. Ab dem 17. Jh., und vor allem im 18., verschwand sie als Ort der Anbetung. Diese Schlussfolgerung wird aus den Dokumenten gezogen, die das Bild der Einsiedelei als Nebenaltar in der Kirche San Sebastian, der heutigen Pfarrei von El Boalo, lokalisieren.

Es scheint, dass die Einsiedelei nicht mehr als Kapelle benutzt und ab der Verbringung des Altarbildes aufgegeben wird. Danach ging die Erinnerung an sie schnell verloren. Viele ihrer Steine sind in verschiedenen Häusern des Dorfes gelandet.

Bisher haben die Wissenschaftler keine Erklärung für dieses schnelle Vergessen. Es verwundert deshalb so sehr, weil das Ausmaß der Einsiedelei Nuestra Señora del Sacedal für damalige Verhältnisse recht groß war.

Der Rahmen des Projekts

Das Projekt entstand im Jahr 2016. Es war Teil des Projekts des Archäologen-Teams zur Erforschung der Bevölkerung in der Spätantike und des Mittelalterteams im oberen Becken von Manzanares. In neun Gemeinden untersuchte man eine Reihe von Fundstätten, darunter auch die von El Boalo.

Man legte dem Rathaus einen Vorschlag vor. Dieser sah eine enge institutionelle, kommunale und akademische Zusammenarbeit vor. Das Zentrum für Archäologie der Universidad Complutense und die Abteilung für Archäologie der Autonomen Universität Madrid schlossen sich dem Projekt an. Professor Javier Salido Domínguez der Autonomen Universität ist Co-Direktor dieses Projekts. Des Weiteren zählt das Team auf die wissenschaftliche Beratung der Professorin Emeritus Carmen Fernández Ochoa. Sie überwacht und unterstützt die Interpretation der Ergebnisse.

An manchen Tagen waren an den Ausgrabungen bis zu 40 Personen beteiligt, darunter Archäologen, Konservatoren, Historiker, Studenten und Freiwillige.

Das Projekt übernimmt das Arbeitsmodell, dass das A-Team seit mehreren Jahren entwickelt. Es handelt sich um die öffentliche Archäologie. Die Idee ist, die Forschung für die Bürger zu öffnen. Sie sollen direkt an der (Wieder)entdeckung ihrer eigenen Wurzeln teilnehmen können. Man will zeigen, wie Archäologen arbeiten, was ihre Methode ist und wie sie die Geschichte mithilfe dieser gefundenen kleinen oder großen Objekte rekonstruieren.

Die Entdeckungsreise in die Vergangenheit beginnt

Bodenradar-Studie der Einsiedelei Nuestra Señora del Sacedal, El Rebollar
Bodenradar-Studie der Einsiedelei Nuestra Señora del Sacedal, El Rebollar

Das Zentrum für Archäologie der Universidad Complutense führte eine Untersuchung mit einem Bodenradar durch. Dies ist eine Art Rasenmäher, der eine Reihe von Wellen aussendet und eine Zeichnung jener Strukturen anfertigt, die er erkennen kann. Er findet nicht immer alle, aber es ist ein erster Schritt, um arbeiten zu können.

Davon ausgehend wurde 2018 eine erste Ausgrabung an den Stellen des Geländes vorgenommen, die nach den Ergebnissen des Bodenradars am interessantesten schienen.

Die Entdeckung der Einsiedelei

Bis jetzt wurde ein Bereich von etwa 14 m Länge und 7 m Breite der Einsiedelei ausgegraben. Laut der Georadar-Studie sind ihre Dimensionen viel größer. Der weitere Teil, der vom Bodenradar entdeckt wurde, ist für die dritte Kampagne im Jahr 2020 vorgesehen.

Nach den bisherigen Entdeckungen besteht das Gebäude aus einem einzigen quadratischen Kirchenschiff mit einer Apsis. Im Laufe der Jahrhunderte wurde die Kapelle mehrmals renoviert. Daher erscheinen im Inneren Strukturen, deren Untersuchung noch aussteht. Dazu gehören ein Quadrat aus Granit mitten im Kirchenschiff und eine große Platte unter dem Altar.

Vom Kopfende aus gelangt man über Stufen zum Kirchenschiff, dem Hauptteil des Gebäudes. Das Schiff ist etwas niedriger als der Kopfteil. Das ist die Bodenebene, die vermutlich im 7. Jh. betreten wurde. Unter diesem Boden befinden sich in den Granit des Hügels eingehauene Gräber, die drumherum zu sehen sind.

Die Struktur ist im Prinzip ein quadratischer Kopfteil mit einem Kalkmörtelboden. Zu jener Zeit wurde Kalk als Mörtel verwendet, bis im 19. Jh. der Zement erfunden wurde. Er wird aus Kalkstein hergestellt, der verbrannt wird, um den Kalk zu erhalten. Dadurch ersparte man sich den Estrich. Es wird vermutet, dass auch die Wände mit Kalk bedeckt waren, denn an der Ostwand ist ein kleiner Rest aufgetaucht.

Charro Gómez erklärt den Kopfteil der Kapelle - Ausgrabungen El Rebollar, El Boalo
Charro Gómez erklärt den Kopfteil der Kapelle – Ausgrabungen El Rebollar, El Boalo

Die Archäologen gehen davon aus, dass auch das Schiff verputzt wurde, obwohl in diesem Fall die Reste schlechter erhalten sind. Im quadratischen Kopfende gibt es einen Stein, der an die Wand anschließt. Hier stand vermutlich der Altar.

Die Lage des Altars wird davon abgeleitet, dass die katholische Kirche bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts die Messe mit dem Rücken zu den Gläubigen las. Erst ab dem Zweiten Vatikanischen Konzil ändert sich die Mentalität der Kirche und wendet sich der Gemeinde zu. Das ist der Moment, in dem die Altäre in die Mitte des Presbyteriums verlegt werden, welches sich in einem anderen Teil des Kopfendes befindet. Bis dahin brachte man alle Altarbilder und Altäre an der Ostwand an, weil die Kirchen immer so ausgerichtet sind.

Das Kopfende ist zum Sonnenaufgang hin orientiert. Hier wurde dasselbe Kriterium wie auf den Friedhöfen angelegt, die in und um die Kirchen zu finden sind. Die Menschen wurden mit der gleichen Ausrichtung begraben. Der Kopf nach Westen und die Füße nach Osten, so dass am Tag des letzten Gerichts und der Auferstehung die Toten als erstes Gott, den Sonnenaufgang und den Altar sehen.

Die Einsiedelei Nuestra Señora del Sacedal institutionalisierte einen tausendjährigen Landverkehrsweg

Die Einsiedelei stand auf einem über das Land blickenden Hügel. Er ist an einer emblematischen Stätte eine Art Wahrzeichen in der Landschaft. Im Tal fließen die Bäche del Herrero, Cerrillo und Samburiel zusammen. Am Fuße des Tales verläuft die Hauptpassage der Trift Cañada Real Segoviana, der ein Landverkehrsweg des Mittelalters war. Auf diese Weise institutionalisierte die Einsiedelei eine tausendjährige Verkehrsroute, die aus der Vorgeschichte stammt. Über sie reisten viele Menschen, die in den Bergen lebten und die Sierra del Guadarrama bewirtschafteten.

Die Bedeutung der Gräber

Bei den Ausgrabungen, die während des Baus der Siedlung stattfanden, bedeckte der Friedhof mehr als nur diesen Hügel.

Im Kirchenschiff wurde eine Reihe von Gräbern gefunden. Letztes Jahr entdeckte man praktisch zum Ende der Kampagne das erste. Auf den Fotos ist es mit einer schwarzen Antiwurzeldecke und den Steinplatten darauf zu sehen.

Die Gräber befolgen eine konkrete Raumordnung. Sie werden nicht frei nach Gutdünken angelegt, sondern in Reihen angeordnet.

Grab in der Mitte des Kirchenschiffes - Ausgrabungen El Rebollar, El Boalo
Grab in der Mitte des Kirchenschiffes – Ausgrabungen El Rebollar, El Boalo

Die Art der Gräber ähnelt dem Kleinen in der Mitte. Es gibt verschiedene Arten von Bestattungen. Bei diesen Ausgrabungen kamen drei oder vier zum Vorschein. Das Grab vom letzten Jahr und das diesjährige bestehen aus Steinen, die in eine Grube in Kastenform gesetzt werden. Darin legte man die sterblichen Reste. Dann bedeckte man es mit Platten. Diese waren von unterschiedlicher Größe und bestanden aus mehreren Teilen. Manchmal sind es nicht mehrere Platten, sondern nur eine einzige.

Eine andere Art von Gräbern bildeten die Sarkophage. Unter einer Überdachung wurde der Erste ausgestellt, den man bei den Ausgrabungen entdeckte.

Nach Informationen von Nachbarn und Personen, die an den Bauarbeiten beteiligt waren, verschwand ein weiterer in einem Haus im Dorf oder ging verloren.

Sarkophag - Ausgrabungen El Rebollar, El Boalo
Sarkophag – Ausgrabungen El Rebollar, El Boalo

In diesem Jahr hatten die Archäologen das große Glück, zwei neue Sarkophage zu finden. Einer davon ist bemerkenswert und sehr gut erhalten, wie auf dem Foto zu sehen ist. Der Zweite ist ein wenig beschädigt.

Was verraten uns die Gräber und Sarkophage?

Der erste Sarkophag wurde mit einer Platte bedeckt gefunden. Es handelt sich um ein seltenes Stück, das 220 cm lang und 70 bis 50 cm breit ist. Die Stärke des Grabsteins an den Enden beträgt 5 cm und 8 cm in der Mitte. Er ist in Form einer Giebelfliese gehauen und seine Bearbeitung ist bemerkenswert. Daraus erkennen wir, dass die hier begrabenen Menschen wirtschaftlich besser gestellt waren, weil die Herstellung von Grabplatten dieser Art teuer war.

Darunter erschien ein Sarkophag, der eigenartige Eigenschaften hat. Darin waren zwei Personen begraben.

Bild des A-Teams mit den Resten zweier Personen im Sarkophag - Ausgrabungen El Rebollar, El Boalo
Bild des A-Teams mit den Resten zweier Personen im Sarkophag – Ausgrabungen El Rebollar, El Boalo

Die erste von ihnen scheint eine Frau zu sein. Als die zweite Person begraben wurde, entfernte man zumindest einen Teil der Knochen der ersten. Dann begrub man die zweite Person. Zuletzt wurde der Rest der ersten Person auf die Füße gelegt.

Darüber hinaus fand man ein Element, das die Archäologen Beigaben nennen. Dies sind Objekte, die den Körper zum Zeitpunkt der Bestattung begleiten. In diesem Fall handelt es sich um ein Keramikstück in Form einer Flasche mit einem flachen Boden und zwei Griffen. Der Hals ist sehr schmal. Das Stück ist ein Element, das in der Sierra de Guadarrama noch nicht dokumentiert wurde, obwohl es bei Bestattungen des 7. und 8. Jahrhunderts (von 656 bis 727 n. Chr.) sehr häufig vorkommt. Die Flaschen wurden noch nicht geöffnet und behalten ihr ursprüngliches Siegel.

Alle Daten führen uns ins hohe Mittelalter

Die Archäologen haben bisher zwei Daten gefunden, die uns zu dieser hochmittelalterlichen Chronologie führen. Im vergangenen Jahr führten sie beim Grab eine Kohlenstoff-14-Analyse durch. Es war ungewöhnlich gut erhalten. Man kann dies am Sarkophag erkennen. Diese Fundstelle ermöglicht es den Archäologen, Studien an Individuen durchzuführen, weil sie ausgezeichnet erhalten sind. Dies ist selten in Umgebungen, in denen der Boden aus Granit besteht, denn dieser ist sehr sauer und greift organische Stoffe stark an.

Normalerweise sind die gefundenen Reste sehr beschädigt oder werden schlicht und einfach nicht gefunden, weil sie zerfallen sind. Nach Charro Gómez führt uns diese Flasche ebenso wie die Ergebnisse der Kohlenstoff-14-Analyse vom ersten Individuum ins späte 7., Anfang 8. Jh. Aber auch das Ritual selbst führt uns auf dieses Datum zurück.

Der zweite Sarkophag ist gut erhalten, ebenso wie das Skelett. Er war von einer riesigen Steinplatte bedeckt, die größer war als die erste. Leider hatte sie genau wie der Sarkophag einen Riss, der sich öffnete, als man sie anhob, um das Grab zu sichten. Es scheint, dass sich der Untergrund gesenkt hat und dazu führte, dass das Kopfende des Sarkophags und die Steinplatte nachgaben.

Es ist es nicht sicher, ob die darin befindliche Person männlich oder weiblich ist. In diesem Fall fand man keine Flasche als Beigabe, sondern einen Ring an einem Finger der linken Hand. Der Ring kam nur 4 Tage vor dem Besuch zum Vorschein und hat einen Chaton, der kreisförmige oder quadratische Teil an Ringen. Er hatte sich aber vom Ring gelöst. Der Chaton hat einige Gravuren. Derzeit wird er gereinigt. Danach wird es restauriert und untersucht. Die Art seiner Zeichnung wurde mit Instrumenten hergestellt, die uns wiederum zurück ins 7. oder 8. Jh. führen. Er trägt einige dreieckige Prägungen, die eine Zeichnung bilden.

Das Archäologieteam des Rathauses, der Autonomen Universität und des Zentrums für Archäologische Studien der Universidad Complutense wird durch die Zusammenarbeit des Anthropologie-Teams der Fakultät für Biologie der Autonomen Universität ergänzt. Beim Besuch begleitet uns Armando, der das Team der Anthropologen leitet, und an dieser Ausgrabung mitgewirkt hat.

Für die Anthropologen ist die Zusammenarbeit an dieser Fundstelle wichtig, weil sie so die Möglichkeit haben, direkt mit den Skeletten zu arbeiten. In der Regel liefern ihnen die Archäologen die Überreste in einer Plastiktüte ins Labor. Hier sind es sie selbst, die die Informationen nicht nur von den Überresten, sondern auch von ihrer Lage, ihren Abmessungen und vielen weiteren Daten aufnehmen. Auf diese Weise ist es für sie leichter, uns zu helfen, die zweite Ausgrabungskampagne der Einsiedelei zu verstehen.

Noch im Mittelalter mussten Babys den heiligen Petrus bestechen, um ins Paradies zu kommen

Mit der zweiten Kampagne beginnen die Archäologen, diese Einsiedelei ein wenig besser zu verstehen. Man hat das Gefühl, zurück ins Mittelalter zu reisen. Im Bereich vor der Treppe, wo sich die Mauer befindet und etwas dahinter, sind bis zu 10 Perinatale aufgetaucht. Perinatale sind Kinder, die tot geboren werden, oder bei der Geburt oder innerhalb weniger Tage sterben. Es sind kleine Babys, die nach den Regeln der Kirche begraben wurden, d.h., mit ihren Köpfen nach Westen und ihren Füßen nach Osten. Alle sind auf diesen Bereich konzentriert.

In den meisten Fällen hatten sie keine Struktur wie Platten oder Gräber, aber sie wurden mit Sorgfalt begraben. In zwei Fällen, vielleicht in einigen mehr des letzten Jahres, wo man noch nicht genau wusste, was man sah, wurde den Babys eine Münze in die Hand gelegt.

Münzen der Babys für die Bestechung des hl. Petrus - Ausgrabungen El Rebollar, El Boalo
Münzen der Babys für die Bestechung des hl. Petrus – Ausgrabungen El Rebollar

Diese Münzen stammen aus der Regierungszeit von Johann II. (1405-1454), aus der ersten Hälfte des 15. Jh. Es ist kurios zu sehen, wie die Menschen im 15. Jh. noch an diesen Aberglauben festhalten. Damals verbot die Kirche jedem, mit irgendetwas begraben zu werden. In den Himmel kommt man mit dem, was man anhat, also ein Tuch oder ein Gewand eines religiösen Ordens. Aber die Leute legen diesen Kindern immer noch eine Münze in die Hand, damit sie, wenn der hl. Petrus am Tor des Himmels steht und von ihnen für den Eintritt eine Münze verlangt, Zugang zum Paradies erhalten.

Dieser Brauch geht auf die Griechen und später auf die Römer zurück und beruhte auf dem Glauben, dass wir, um ins Paradies zu kommen, einen Fluss überqueren müssen, auf dem es nur ein Boot gibt. Der Fährmann namens Charon verlangte für die Überfahrt einen Obolus. Wenn du ihn nicht bezahlst, lässt er dich ins Wasser fallen, wo die Unterwelt ist.

So pflegen die Menschen des Dorfes viele tausend Jahre alte Traditionen. Hier sehen wir, dass im 15. Jh. dieser Glaube noch erhalten war. Die Leute kümmerten sich um ihre Kleinen, damit ihnen, obwohl sie wenig gelebt hatten oder sie nicht lebendig zur Welt kamen, der Eingang ins Paradies gesichert war.

Von der Einsiedelei zum Stall

In einer feldbereiten Ausstellung konnten die Besucher in einigen Vitrinen die in diesem Jahr gefundenen Materialien betrachten.

Es enthielt einige einzigartige und herausragende Stücke, wie diese Münzen der Babys und weitere, die ausgegraben wurden. Diese Objekte erzählen uns, dass das Gebiet viele Jahrhunderte genutzt und noch heute von uns gebraucht wird. Es ist jetzt bekannt, dass hier auch Vieh gehalten wurde. Man fand Rinderkiefer, Teile eines Pferdes und von Schafen. All dies zeigt uns, dass ab einem gewissen Zeitpunkt dieses Gebäude nicht mehr als Kultstätte genutzt und vermutlich zu einem landwirtschaftlichen Ort wird, der mit Vieh und Tieren verbunden ist.

Und wo waren die Araber?

Die Ausgrabungen der Einsiedelei Nuestra Señora del Sacedal offenbart uns eine große Mischung aus römischen Überzeugungen der alten Spätzeit, sowie westgotischen und christlichen Praktiken. Was mich überraschte, war, dass außer den fünf silbernen Dirham, die 2018 im Inneren des Kirchenschiffes gefunden und auf den Beginn des neunten Jahrhunderts datiert werden, bis jetzt nichts anderes über die Anwesenheit der Araber in der Gegend gefunden wurde. Charro Gómez geht davon aus, dass wir noch nicht fähig sind, sie zu finden. Jede Kultur hat ihre eigene Art, Dinge zu tun. Deshalb brauchen wir auch andere Methoden, um sie zu finden. Auch der Säuregehalt des Bodens durch den Granit könnte dazu beigetragen haben, dass die Überreste verschwanden.

Wie geht es weiter?

Nach der zweiten Kampagne wird die Fundstelle mit Silikatoxid und Erde bedeckt, um ihren Zerfall durch Temperaturschwankungen zu verhindern. Eine Dritte wird im Sommer 2020 stattfinden. Die Idee ist, dass die Fundstelle in Zukunft besichtigt kann und eine eigene Beschilderung besitzt. Dies wird von den verfügbaren wirtschaftlichen Mitteln abhängen, die für einen so kleinen Ort große Anstrengungen bedeuten.

7 Lehren, die man aus den archäologischen Ausgrabungen ziehen kann

1. Eine Sache ist klar und fast eine Binsenweisheit: Wenn du reich bist, bist du selbst nach dem Tod besser geschützt. Du wirst mehr respektiert und erhältst dich länger. (Eine andere Diskussion wäre, ob das wirklich wünschenswert ist.) Es ist schwieriger, dein Grab zu plündern.

2. Dank dieser Konservierung erfahren wir heute mehr über unsere Vorfahren, die hier lebten.

3. Aus den Erkenntnissen lässt sich ableiten, dass die Menschen, die in der Sierra de Guadarrama lebten, zumindest diejenigen aus der Gegend von El Boalo, in einer verbundenen Gemeinschaft gelebt haben müssen, auch wenn sie nur aus wenigen Menschen bestand (oder gerade deswegen?).

Aus der Neurobiologie wissen wir, dass Menschen, die sich ihrer Gemeinschaft sehr verbunden fühlen, weniger manipulierbar sind. Nur so erkläre ich mir, dass tausendjährige Überzeugungen wie die Münzen oder Flaschen als Obolen für den hl. Petrus aufrechterhalten wurden. Bedenke, dass diese Überzeugungen mindestens 400 Jahre muslimischer Präsenz und dann den starken Druck der Kirche überdauert haben. Die Münzen der Babys stammen aus einer Zeit kurz vor der Gründung der Inquisition.

4. Die Menschen dieser Region von Viehzüchtern waren arm. Deshalb verschwanden ihre Dinge schneller. Aus Mangel an wirtschaftlichen Mitteln werden wenig Materialien verwendet, die gegen die Bodensäure beständig sind. Deshalb sehen/finden wir sie nicht und sie gelangen dementsprechend nicht in unser Bewusstsein. Nur wer den alt Eingesessenen zuhört, kann eventuell noch existierendeTraditionen und Geschichte erkennen.

5. Wenn uns bekannt ist, dass es einen Kulturwandel gegeben hat, müssen wir unsere Methodik ändern und außerdem lernen, die Dinge anders zu sehen, um die Zeugnisse dieser Kulturen zu suchen.

6. Manchmal denken wir, dass das, was wir auf der Straße finden, oder was der Gesellschaft gehört, keinem gehört. Daher glauben wir, dass wir das Recht haben, uns diese Sachen aneignen zu dürfen.

Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir nichts Besonderes sind, wegen dem, was wir besitzen, oder weil wir uns nur um unser Eigentum kümmern, oder weil wir Wertsachen zur schau tragen. Wir sind einzigartige Wesen, weil wir in unserer Familie, in einer bestimmten Region und mit den uns umgebenden Menschen aufgewachsen sind. Das ist es, was Identität schafft, uns als Individuum auszeichnet und uns wahren Reichtum bringt.

7. Diese Funde helfen uns nicht nur, das Erbe dieses Landes und das Wissen darüber in der gesamten Gesellschaft wiederzuerlangen. Sie helfen uns, die Vergangenheit unserer Kultur kennenzulernen, die uns mit der Gesellschaft verbindet, in der wir leben. Dies ist notwendig, um die Gegenwart zu verstehen. Nur so ist es uns möglich, uns als integre Menschen in die Zukunft zu projizieren. Diese Projektion hängt von der Assimilation der Kreuzung von Kulturen und Überzeugungen ab, die manchmal schwer zu entwirren ist.

Ich hoffe, dass mein Post dazu beträgt, dieses Wissen zu verbreiten und das Bewusstsein zu schärfen, dass es sich lohnt, dieses Erbe zu bewahren und sich darum zu kümmern. Jetzt liegt es in unserer Verantwortung, es zu schützen und zu pflegen.

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